Nun ist sie also vorüber, die Aufführung der „100 Jahre Musical“ im Hirsvogelsaal in Nürnberg — sozusagen in meiner eigenen „Hood“. Und was für eine Aufführung!
Nach der Vorpremiere in Mönsheim und der Premiere des kompletten Programms in Kipfenberg sah für mich ja alles schon nach Routine aus, und ich dachte, der nächste Tourstopp in Nürnberg, wo ich endlich meinen ganzen Freunden und Bekannten unsere Produktion mit meinem Skript vorstellen konnte, sei in trockenen Tüchern — Die Illusion hielt sich, bis ich letzten Samstag zum Frühstück die Nachricht erhielt, dass unsere männliche Hauptrolle für die Aufführung in Nürnberg nicht zur Verfügung stünde. Bei einer Cast, die insgesamt nur drei Personen umfasst, schlägt sowas natürlich ins Kontor. Es begann eine Phase der hektischen Suche nach einem Ersatz, wobei es mit jeder verstrichenen Stunde für den Ersatz schwieriger werden würde, sich rechtzeitig Text und Musik draufzuschaffen.
Schließlich erklärte sich mit Fabian Sedlmeir ein blutjunges Talent zum Himmelfahrtskommando bereit, und ich sah ihn am Donnerstag kaum vierundzwanzig Stunden, bevor der Vorhang sich lüften sollte, zum ersten Mal. Ein wenig hatte ich ein schlechtes Gewissen, den Kerl so auf verlorenen Posten zu stellen, aber nachdem als Alternative schon angedacht war, mich auf die Bühne zu stellen — woran man das Ausmaß der Verzweiflung erkennt –, dachte ich mir, „besser er als ich…“ Immerhin hatten wir mit dem Hirsvogelsaal im Nürnberger Tucherschlösschen eine (fast ausverkaufte!) wunderschöne Location, und ich konnte mir einreden, wenn die Leute mit dem Stück nicht zufrieden seien, könnten sie immer noch die interessanten Wandgemälde bewundern.
Der Abend begann mit vielen Hallos von Freunden und Bekannten, die uns die Ehre gaben, und es hat mich riesig gefreut, ihnen unser Stück vorstellen zu können (auch wenn es unter nicht optimalen Vorzeichen geschah), so dass es zu verkraften war, dass ich völlig umsonst die korrekte Technik fürs Aufwickeln von Kabeln bei Auf- und Abbau gelernt hatte, weil ich gar nicht dazu kam, meine Fähigkeiten anzuwenden.
Da der Hirsvogelsaal keine Bühne hat, konnte sich der Vorhang auch nur im übertragenen Sinne heben, aber schon kurz nachdem Gitti, Karin und Fabian auf die Bühne kamen, waren meine schlimmen Befürchtungen weggefegt: Die beiden Frauen sind eh „sichere Bänke“, auf die man sich verlassen kann, und sie nahmen Fabian, der unter der Herausforderung geradezu aufzublühen schien, unter ihre Fittiche — der Bursche lässt sich nicht so schnell den Schneid abkaufen! Ich war nominell Souffleur, musste aber so gut wie nicht eingreifen — bis auf ein zwei Stellen, bei denen ich aber argwöhne, unser Ensemble hat die bewusst übersprungen, weil Elmar mal wieder ins Schwafeln geraten war…
Medienpräsent waren wir auch: Die Aufführung wurde vom Franken Fernsehen gecovert, und in der Pause durften dann nicht nur Andreas und Co vor die Kamera, sondern ich habe mich auch interviewen lassen. Ich habe das dumme Gefühl, ich habe schon mal mit mehr Witz und weniger Gestammel auf vernünftige Fragen geantwortet, aber vielleicht habe ich ja Glück und mein Part fliegt vor der Ausstrahlung noch raus: Am kommenden Montag soll der Zusammenschnitt über den Äther gehen.
Der Beginn des zweiten Akts enthielt dann auch die kitzligsten Szenen: Karin sang „Der morgige Tag ist mein“ aus Cabaret, und man merkte dem Publikum schon an, dass es sich nicht ganz im Klaren war, ob man ein Lied, das als harmlose Volksweise beginnt und sich dann zur Nazi-Hymne wandelt, beklatschen sollte. Daran schloss sich eine Sequenz an, in der der junge Kerl Fabian den Love-Interest einer Frau spielte, deren Darstellerin buchstäblich seine Mutter hätte sein können. Ich hatte befürchtet, das würde wenigstens für Verwirrung oder im schlimmsten Fall für ungewollte Heiterkeit sorgen, aber wenn ich die Reaktionen des Publikums richtig gelesen habe, dann war das unbegründet, und unsere Zuschauer nahmen Hymne und Lovestory auf wie erhofft.
Generell war ich von Spiel und Gesang diesmal noch beeindruckter als in Kipfenberg. Zum Einen mag das daran liegen, dass Gitti und Karin inzwischen noch etwas besser aufeinander eingespielt sind, zum anderen hatte sich Andreas entschieden, die gegebene Akustik des Hirsvogelsaals zu nutzen und auf eine elektronische Verstärkung der Stimmen zu verzichten, so dass der Gesang für mein Empfinden noch „authentischer“ und facettenreicher rüberkam.
Wir haben viel Applaus bekommen, als nach zwei Stunden das Ergebnis feststand. Weil so viele Bekannte da waren, konnte ich mich leider nicht mit jedem im Detail unterhalten. Ich habe wieder viel mehr Komplimente erhalten für das Skript, als ich verdient habe; das merkwürdigste davon war tatsächlich „Ich habe mich sehr gut unterhalten, aber das kann daran liegen, dass mein Hörgerät kaputt ist.“ Je nun, ein Kompliment ist ein Kompliment. Und es war eine gute Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen: Beim „Spielen mit den Großen“ bin ich ja immer noch das „New Kid on the Block“ (und mag’s gar nicht recht glauben), so dass ich mich immer noch über jede Gelegenheit freue, meine Visitenkärtchen unters Volk zu bringen.
Nach dem Abbau ging’s dann noch ins Restaurant um die Ecke, um mit ein paar dagebliebenen Freunden ein isotonisches Weizen oder zwei zu trinken, dann führte mich Sina noch auf einen kleinen Absacker (oder zwei) in die Vintage Bar (die ich immer wieder gerne empfehle), und zuhause gab’s noch ein Gläschen Rotwein zum Runterkommen. Gegen drei Uhr in der Früh gingen dann im Maison Vogt die Lichter aus…
Zusammengefasst: Für mich war’s ein perfekter Abend. Ich hatte mal wieder die Chance, mein Skript auf der Bühne zum Leben erweckt zu sehen. Die Zusammenarbeit mit dem Team ist natürlich anspruchsvoll (Hei, wer viel hat, muss viel geben!), aber es hat zu jedem Zeitpunkt Spaß gemacht, und ich habe viel gelernt. Ich war begeistert, so viele Gesichter wieder zu sehen, und ich denke, wir haben unserem Publikum eine gute Show für sein Geld geboten. Die Flasche Wein, die ich als Premierengeschenk überreicht bekam, werde ich für einen besonderen Anlass aufbewahren… Der hoffentlich nicht so lange auf sich warten lassen wird! 😉
Einziger Wermutstropfen: Eigentlich wollte ich meine Eintrittskarte als Souvenir vom Ensemble signieren lassen, aber das hab ich im allgemeinen Trubel vergessen. Naja, das ist zu verkraften.
Ewiger unverbrüchlicher Dank gilt der immerzu geduldigen und engagierten Sina, und natürlich auch Julia, die für uns das Foyer gemanagt hat. Bilder, geschossen von der besten Ehefrau aller, folgen asap!
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