Die letzten Tage war das Blog ein bisschen ruhig, aber ich kann zu meiner Verteidigung sagen, dass das nicht an meiner Faulheit lag — vielmehr war ich busy.
Zum einen war da am 11.11. die letzte Vorstellung der „100 Jahre Musical“ für diese Saison. (Es wird mit ziemlicher Sicherheit wenigstens eine weitere Aufführung im Frühjahr 2019 geben.) Diese Derniere fand im wunderschönen Kongregationssaal in Neuburg an der Donau statt, der Heimatstadt meiner Mutter, so dass ich dem Aufführungsort schon aus diesem Grund besonders verbunden war. Die Presse war auch da, und ich hoffe, die nächsten Tage ausführlicher berichten zu können. Gitti, Karin und Alex haben sich auf jeden Fall nochmal mächtig ins Zeug gelegt und alles gegeben.
Dann laufen derzeit die Vorbereitungen für den „Seelenhändler„, die diesjährige Produktion des „Stadmusicals Nürnberg“ auf Hochtouren. Ich bin persönlich der Truppe sehr verbunden, unter anderem, weil Sina wieder in mehreren Rollen zu hören sein wird und Andreas die Musik dafür komponiert hat. So habe ich in den letzten beiden Spielzeiten jeweils an der Bar auf meine Art zum Erfolg der Musicals beitragen dürfen und hab’s diesmal sogar in den Trailer für den „Seelenhändler“ geschafft. (Obwohl ich glaube, dass es eher meiṇ Landsknechtkostüm war, das begeistern konnte.) So oder so, anscheinend hat mein grimmiges Dreinstarren bei den Dreharbeiten (verkatert auftauchen hilft!) die Regisseure Uli und Marc überzeugt, mir auch noch eine kleine bislang verwaiste Rolle als gedungener Scherge im „Seelenhändler“ anzubieten, und da ich nunmal gern im Zentrum der Aufmerksamkeit stehe, hab ich mich nur minimal bitten lassen.
Das dürfte das erste Mal sein, dass ich nach rund dreißig Jahren wieder auf der Bühne stehe, und es dürfte ein wesentlich größeres Publikum sein als zuletzt. Je nun. Die Proben haben schon mal damit gut begonnen, dass ich nach der ersten Sitzung bereits zehn Prozent meines Textes gekürzt bekommen habe. Bleiben noch neun Sätze…
Aber, weit genug abgeschweift, zurück zum Grund dieses Blogposts: Ich habe mich nicht nur aktiv, sondern auch passiv kulturell betätigt und gestern das „Rosegardens“ besucht.*) Das ist ein schnuckeliger kleiner Laden im Herzen Nürnbergs, der nicht nur allerlei ausgefallene Kosmetikartikel, kleine Geschenke und Delikatessen aus Großbritannien vertreibt, sondern daneben auch noch ein exquisites Kulturprogramm mit Lesungen und Liederabenden unterhält — in einem sehr intimen Rahmen, denn die Verkaufsräume, die gleichzeitig Veranstaltungsort sind, fassen kaum mehr als zwanzig Besucher!
Gestern traf sich also das solchermaßen handverlesene Publikum — yours truly darunter — im Rosegardens um der Vorpremiere von „Ottilie“ beizuwohnen. Dabei handelt es sich um die aktuelle Produktion des ACT Centers unter Leitung von Luna Mittig, an die sich beflissene Leser meines Blogs von früheren Besprechungen im Rahmen der „Local Talents“ erinnern werden (z.B. hier und hier). Das Musical behandelt die Geschichte der Dynastie von Faber-Castell — Richtig, das sind die Schreibwaren-Moguln, die im Fürther Umland ihre Residenz haben, und die Ende des 19. Jahrhunderts ein Vermögen damit gemacht haben, den Leuten sogenannte „Bleistifte“ unterzujubeln, deren Minen in Wirklichkeit aus Graphit waren und keine Spur Blei enthielten. Ottilie von Faber-Castell war dabei eine der schillernderen Figuren der Familie, und das ACT Center hat ihre Biographie nun auf die Bühne gebracht. Aufgrund der Umstände war die Vorpremiere im Rosegardens vom Umfang her beschränkt, die große Walzerszene im Ballsaal kann beispielsweise leider erst bei der eigentlichen Premiere zur Aufführung kommen — nämlich im Ballsaal des verdammt imposanten Faber-Castell’schen Schlosses, wo auch die echte Ottilie im Zweifelsfall eine kesse Sohle aufs Parkett gelegt hat. Die Aufführungen werden tatsächlich am „Originalschauplatz“ stattfinden. </neid>
Was aber der Freude im „Rosegardens“ keinen Abbruch tat. Lunas Kostümfundus genießt nicht umsonst einen guten Ruf in der Umgebung (und wird gern von anderen Truppen oder meiner Frau geplündert, wenn sie mal wieder im Kaufrausch ist), und die Schauwerte waren schon bei dieser Vorpremiere eine Wucht. Nicht nur wegen der beeindruckenden Kleider der Companie, man kann auch deutlich sehen, welche Sorgfalt das Team bei Maske und Frisuren hat walten lassen. Sehr oft sehen die Darsteller in solchen „period pieces“ leider aus wie, nun, wie Darsteller in einer Verkleidung eben, aber im Rosegardens kamen sie alle sehr authentisch rüber — wie die Ausstattung im Faber-Castell’schen Schloss erst wirken wird, darüber kann man nur spekulieren…
Die Musik verspricht ein weiteres Highlight der „Ottilie“ zu werden. Komponiert wurde sie von Matthias Lange, der auch regelmäßig den Soundtrack zu den Cadolzburger Burgfestspielen beiträgt. Während er dort meist eleganten Bombast zum Besten gibt (und das meine ich im positiven Sinne), schlägt er bei der „Ottilie“ leisere und „leichtere“ Töne an, die bei den tatsächlichen Aufführungen auch nur von E-Piano, Bass und Schlagzeug vorgetragen werden sollen. Ich fand die Musik sehr gefällig, und wunderbar zur Story und zum Setting passend, nicht an die Gründerzeit anbiedernd, aber doch die Stimmung einfangend, und wenn das Drama es erforderte auch mit dem rechten Bumms, trotz der zurückhaltenden Instrumentierung.
Beim Vortrag kam es zu ein paar technischen Ausrutschern wie ausgefallenen Mikrofonen, aber das ist bei einer mehr oder minder improvisierten Veranstaltung vermutlich kaum zu vermeiden. Da wir ja nur musikalische Highlights und keine Spielszenen zu sehen bekamen, lässt sich zur Story noch nicht viel sagen, allerdings hätte ich mir bei den Liedtexten noch eine Endkontrolle gewünscht. Da war sehr wenig Poesie und viel lediglich behauptetes Gefühl drin, und bei einigen Phrasen wundert sich der Hörer — Was soll ein Satz wie „Der Schmerz, er sagt ‚en garde'“ bedeuten? Und „Schranken“ reimen sich zwar wunderbar auf „wanken“, aber „Schranken ins Wanken“ zu bringen ist einfach ein schiefes Bild: Manchmal ist erst der zweite Reim, der einem einfällt, der beste.
Nichtsdestoweniger, ich freue mich darauf, „Ottilie“ in voller Lebensgröße an der Stätte ihres Wirkens zu sehen, auch wenn es vermutlich Januar werden wird, da ich ja vorher noch beim „Seelenhändler“ dungen, schergen und Bier ausschenken muss, siehe oben.
Zügige Ticketreservierung wird der geneigten Leserschaft empfohlen, da bereits etliche der Vorstellungen ausverkauft sind!
Pro-Tipp für die Zukunft: Will mich mal jemand zu einer Vorpremiere in einem Whisky-Laden einladen…?
Hinweis zur Presseneutralität: Ich bin mit dem Dienstmädchen der Faber-Castells verheiratet. Vielleicht bin ich darum nicht komplett unvoreingenommen.
*) Die Betreiber der Website haben derzeit technische Probleme, darum verweist dieser Link nur auf die „Reserveseite“ des Rosegardens.
(Ich bitte um Entschuldigung für meine grützige Kamera, die arg mit den Lichtverhältnissen im Rosegardens zu kämpfen hatte. Es hat seine Gründe, dass ich Autor und kein Grafiker bin.)