Meine Großeltern hinterließen mir (außer vielen liebevoll-sentimentalen Erinnerungen an meine Jugend) nur wenig von Wert: Darunter ein Häuschen, das meine Familie allerdings abreißen lassen musste, nachdem sich herausstellte, dass Opa ein bisschen billig gebaut und wenig gepflegt hatte. Außerdem war da noch eine Wetterstation aus dem frühen 20. Jahrhundert, deren geschnitzte Ornamente mein Großvater leider abgesägt hatte, weil sie ihm zu „weibisch“ waren,*) sowie ein Olivenholzlöffel und -teller, aber das ist eine andere Geschichte.
Dazu kam noch eine Enzyklopädie, mit der ich viele Stunden der Besuche bei meinen Großeltern verbracht hatte, und die ich nach deren Tod erbte. Ich war nicht nur fasziniert von den (altmodischen, damals topmodernen) Illustrationen und den (etwas schwer lesbaren, hüstel) Frakturtexten, sondern natürlich auch von der Weltsicht, die aus diesem etwa ein Jahrhundert alten, vierzehnbändigen Werk sprach. („Politesse“ war zB noch keine weibliche Polizistin, sondern sowas wie „Höflichkeit“, und „Tee“ war unauffindbar, weil er damals noch „Thee“ buchstabiert wurde.)
Als sich die Pläne konkretisierten, einen historischen Krimi zu schreiben, kam mir diese Enzyklopädie (Meyers, übrigens) sehr zupass, da sich damit ein Großteil der Recherche praktisch „aus erster Hand“ umsetzen ließ. Und damit die Sache Hand und Fuß bekam, entschloss ich mich einfach, den ersten Iahel Nimoy-Roman genau 1896 anzusiedeln — in dem Jahr, in dem meine Ausgabe der Enzyklopädie gedruckt worden war. So war sichergestellt, dass die Informationen daraus diejenigen waren, die auch Iahel Nimoy zur Verfügung gestanden hätten, und auf diesen Abschnitt konzentrierte ich mich dann auch z.B. bei der Literaturrecherche, oder beim Gang ins Stadtarchiv.
Wie die Geschichte weitergeht, ist natürlich noch nicht raus: Ich würde Frau Nimoy gerne weiter begleiten, wie sie durch die Jahre die Entwicklung Fürths, Deutschland und ihrer selbst betrachtet. Aber da mein Vorrat an vererbungswilligen Großeltern begrenzt ist, muss mir dann wohl noch was Cleveres für die Recherche einfallen.
*) Das klingt jetzt ein wenig so, als hielte ich nicht viel von meinem Opa; das ist absolut nicht richtig. Er war ein cooler Knochen, und vielleicht veröffentliche ich mal bei Gelegenheit ein Foto, das ihn in den 30ern als Easy Rider zeigt, der sich vor Clint Eastwood nicht zu verstecken braucht.