Damals (2022…) und heute

Eines der Privilegien in einer so grandiosen Truppe wie LightsDownLow aktiv sein zu dürfen ist, die Fortentwicklung des Vereins und der Mitglieder verfolgen zu können.

Klar, das ist offensichtlich bei den Leuten, die auf der Bühne stehen und ihr Spiel permanent verbessern, aber das gilt auch für die „kleinen“ Dinge, die den Zuschauern gar nicht in die Augen fallen.1 Ein Beispiel dafür ist ein Plan zum Bühnenaufbau und zur Bestuhlung. Vor guten zwei Jahren, bei unserer ersten Musikrevue “Frau Luna hat Besuch”, habe ich mich daran versucht und nach bestem Wissen und Gewissen eine Skizze mit den ungefähren Abmessungen der Bühne generiert:

Nun haben wir mit Michaela nicht nur eine exzellente Social-Media-Expertin im Team, sondern auch eine Expertin für alle Fragen der Architektur.

Und inzwischen sieht so eine Zeichnung so aus:

Nicht, dass irgendein Zuschauer diese Bilder jemals sehen sollte, aber es macht mir deutlich, wie wir uns weiterentwickeln, von PowerPoint-Skizzen zu professionellen Designs, und wie wir Schritte voran unternehmen, in der Hoffnung, dass unsere Produktionen immer besser werden. Und das ist ein tolles Gefühl.


  1. Und auch gar nicht fallen sollen, denn es ist eine gute Produktion, wenn dem Publikum gar nicht auffällt, was dahinter steckt. ↩︎

Das Pareto-Paradox der Kultur

Natürlich lernt man im Verlauf der Zeit auch ein paar unangehme Weisheiten über den Kulturbetrieb. Es ist phantastisch, wieviele großartige Menschen man kennenlernt, die ihre Energie und ihre Kreativität in eine Produktion stecken, es ist grandios, den Beifall seines Publikums zu hören oder eine nette Mail über eine Story zu bekommen. Aber dafür gilt es, einen Preis zu bezahlen, und den nenne ich mal „das Pareto-Paradox“.

Das Pareto-Prinzip kennt vermutlich jeder. Es besagt sinngemäß, dass 10% des Aufwands 90% des Erfolgs ausmachen.1 Im Kulturbetrieb ist es nun nach meiner Erfahrung so, dass nur 10% der geplanten Projekte überhaupt realisiert werden. Der Rest fällt irgendwo auf der langen Strecke von „erster Idee“ bis „letztem Vorhang“ durch die Maschen. Das kann natürlich vielerlei Gründe haben. Manchmal stimmen die Rahmenbedingungen nicht, machmal stellen wir uns auch einfach zu blöd an, und manchmal war die Idee auf einfach nur Mist. Manchmal erfährst du den Grund auch gar nicht, wie zum Beispiel im Moment, wo wir eigentlich ein sehr gutes Verhältnis mit einem Spielort hatten, seit dem Leitungswechsel aber mit der kalten Schulter ignoriert werden und inzwischen drei Anschreiben komplett ohne Antwort geblieben sind…2

Damit muss man zu leben lernen und darf nicht allzu pikiert sein, wenn ein vorgeschlagenes Projekt dann doch den Bach runter geht und nie das Licht der Welt erblickt — obwohl das natürlich umso schwerer ist, je weiter das Projekt schon gediehen und desto mehr Herzblut hinein geflossen ist. Sei trotzdem darauf gefasst, dass es nix wird.

Aber — und jetzt kommt das Paradox ins Spiel — man darf mit der Einstellung nicht an ein Projekt herangehen. Sondern im Gegenteil: Obwohl die Wahrscheinlichkeit für einen Fehlschlag hoch ist und man seine Hoffnungen deshalb nicht allzu hoch hängen darf, muss man doch mit vollem Enthusiasmus und aller Energie hinter jedem neuen Vorschlag stecken. Sonst merken das die Produktionspartner sehr schnell, und wenn sie das Gefühl bekommen, dass du selber nicht 100%ig hinter deiner neuen Idee steckst, kann man von ihnen noch viel weniger erwarten, überzeugt zu sein.

Mit anderen Worten, es hilft nichts, außer sich dem Zwiedenk hinzugeben: Lege auf der einen Seite all deine Kreativität und Hoffnungen in ein Projekt und vermittle das auch nach außen, aber sei trotzdem darauf vorbereitet, dass das Projekt einen Tod sterben kann — indem es knallhart an die Wand fährt, oder „scheibchenweise“; indem die Vorbereitungen immer langsamer werden und versickern, bis schließlich nichts mehr vorangeht.

Und so schreibe ich jetzt zum vierten Mal eine enthusiastische Mail mit unserem Projektvorschlag.


  1. Der Begriff „Pareto-Prinzip“ wird öfters auch anderswo angewandt, wo die Verhältnisse bei näherer statistischer Betrachtung gar nicht so überraschend sind — wie beispielsweise, dass 10% der Bevölkerung über 90% des Vermögens verfügen. ↩︎
  2. Ja, ich schreibe mir gerade den Frust von der Seele. ↩︎

Morgen, Kinder, wird’s was geben!

Unser neues Musikprojekt „Endstation“ macht Fortschritte. Wie bereits bei „Frau Luna“ wollen wir auch diesen Sommer wieder eine Show mit einem Mix aus gespielten Szenen („Sketchen“, die allerdings nicht immer lustig sein werden) und mehr oder weniger bekannten Rock- und Pop-Songs auf die Bühne bringen. (Siehe auch den Kalender rechts!)

Dieses Mal habe ich darum gebeten, mich von der Produktion weitgehend zu entbinden. Zum einen aus dem eigensüchtigen Grund, mich so mehr auf das Schreiben konzentrieren zu können, zum anderen aber auch, weil ich mich für keinen besonderen Produzenten halte, und weil Sina und Stefanie mit Michaela eine weitere tolle Unterstützung bekommen haben, neben der ich furchtbar blass aussehen würde.

Dafür wurde unser Autorenteam, bisher aus Verena und mir bestehend, um Pia ergänzt, die bereits bei der „XIII. Stunde“ ihr LightsDownLow-Debut geliefert hat. So haben wir uns einen neuen Ablauf überlegt, bei dem ich zuerst einen neuen Titel bekomme — in diesem Fall „Dramaturg.

Dann setzen wir uns zusammen und überlegen ein Konzept, in diesem Fall „Geschichten und Songs um Leben und Tod“. Daran schließt das Hirnen des Autorenteams an, wo wir bereits etliche Storyideen inklusive mehr oder minder passender Musiknummern dazu entworfen haben. Die große Kunst besteht dabei nicht darin, eine Idee zu haben, sondern die Spreu vom Weitzen zu trennen und „kill your darling“ als Massenmord zu betreiben, bis am Schluss eine Reihe von Geschichten übrig bleibt, die einem roten Faden treu bleiben, aber auch „Rhythmus“ in der Show generieren — lustige, dramatische und tragische Geschichten sollten einander abwechseln, die Anfänge und Enden der Akte brauchen immer eine besonderen „Bumms“, und so weiter.

Im Bestfall würden wir jedes Thema auch nur einmal behandeln, aber alle wichtigen Themen unterbringen. Interessanterweise sind zu meiner eigenen Überraschung drei Aspekte auf der Strecke geblieben, nämlich Abtreibung, Selbstmord und die Todesstrafe. Man könnte jetzt natürlich meinen, dass wir uns zur präventiven Selbstzensur entschlossen hätten, weil wir schließlich in einem katholischen Pfarrsaal spielen, aber dem ist nicht so. Stattdessen hatten wir schlicht keine Ideen für gute und unterhaltsame Geschichten, die diesen brisanten Themen gerecht geworden wären, und für andere Storys gab es viel bessere Vorschläge. Leichter ist es nicht dadurch geworden, dass wir uns entschlossen haben, diesmal statt des runden Dutzend Geschichten der „Frau Luna“ nur noch acht zu realisieren,1 um den Aufwand für die Produktion (und auch die Zuschauer) besser handhabbar zu machen.

Schließlich war dann die erste Runde abgeschlossen, und nach dem Segen der Produktion sind wir drei daran gegangen, die ersten Entwürfe für die Skripte abzuliefern, woran sich nochmal eine zweite Runde anschloss, in der die Skripte noch einmal verfeinert wurden, während eine Geschichte auch komplett ersetzt werden musste, weil sie in der Realität einfach nicht so gut wurde, wie gedacht.

Das ist der Punkt, an dem wir jetzt sind, und morgen wird es endlich ein Casting geben, bei dem wir viele alte und neue Talente eingeladen haben. Ein bisschen sind wir bei diesem Vorhaben davon überrascht worden, wieviele Leute sich tatsächlich angemeldet haben: Nach derzeitigem Stand haben wir 20 Kandidaten, und das ist mehr als wir vernünftigerweise unterbringen können.2 Auf der einen Seite freut und ehrt es uns natürlich riesig, dass so viele Leute Lust haben, uns kennenzulernen oder sogar so verrückt sind, wiederzukommen obwohl sie schon mit uns gearbeitet haben. Andererseits werden wir aber auch einigen Leuten absagen müssen.

Und das ist tatsächlich der schwierige Teil des Jobs — Gott spielen mit kleinen Künstlerseelen… Als Dramaturg gehöre ich noch zu der Jury die entscheidet, wer für die einzelnen Sprech- und Gesangsrollen geeignet ist und wer nicht, und es macht uns nie Spaß, irgendjemanden wieder heimzuschicken — Wir würden ja so gern mit allen spielen…! Auch wenn es nur ein Hobby ist, sind wir uns der Verantwortung bewusst. Von daher machen wir es uns nicht leicht, und wir versuchen auch, die Ablehnung abzudämpfen, wenn sie denn unvermeidlich ist.

Fair ist das Ganze nie, denn es ist ja niemand absolut der Beste oder der Schlechteste, sondern alle Kandidaten sind jeweils gut oder schlecht für eine bestimmte Rolle geeignet. Wenn wir beispielsweise zwei Bewerber A und B haben, die beide für dieselbe Rolle toll geeignet sind, aber für die zweite Rolle nur einen mittelmäßigen Bewerber C, dann hat C den Job, aber entweder A oder B werden wir wieder nach hause schicken müssen, so leid es uns tut. Ich hoffe, dass unsere Aspiranten diese Tatsache im Kopf haben werden.

Ein Trostpflaster mag sein, dass die „Endstation“ mit etwas Glück (toi toi toi!) nicht die letzte ist, die wir realisieren werden. Nicht für jede Produktion werden wir ein großes Casting auffahren, und natürlich arbeiten wir lieber und besser mir Leuten, die wir bereits kennen. Darum werden wir uns morgen viele Notizen machen und die Performance der Menschen im Hinterkopf behalten. Auch wer heute abgelehnt wird kann schon für die nächste Produktion einen Anruf von uns bekommen3, wenn wir uns daran erinnern, dass seine Leistung zwar damals nicht gepasst hat, er oder sie aber jetzt genau die Richtige sein könnte. Und wie ich aus gut unterrichteten Kreisen gehört habe, streben wir für November 24 schon wieder eine Produktion an…

Mit dem Casting ist dann aber diesmal mein letzter nennenswerter Job erledigt, und ich kann mich anderen Dingen zuwenden. Bei den Proben werde ich nur noch sporadisch gebraucht werden, ehe dann in der heißen Phase der Produktion der Bedarf an allem, was zwei Hände und Beine hat ansteigen wird — von der Anfertigung der Ausstattung bis zum Ticketverkauf am Einlass.

Nun sind der Worte aber genug gewechselt. Ich freue mich riesig auf morgen, denn nun wird aus der grauen Theorie von Papier, Monitoren und Besprechungen endlich der erste Schimmer von Realität. Ich bin gespannt, was unsere Kandidaten, die alten wie die neuen, uns zeigen werden, und ich bin komplett überzeugt, dass wir mit dem Wissen nach hause gehen werden, ein weiteres Mal eine tolle Cast für unsere Produktion gefunden zu haben.


P.S. — Wer sich der Casting-Thematik — wie finden wir die besten Kandidaten, wenn wir nicht jeden auf allen Positionen prüfen könne? — auf einer abstrakt-mathematischen Ebene nähern möchte, dem sei das Studium des Sekretärinnenproblems ans Herz gelegt.


  1. Es sind dann doch neun geworden… ↩︎
  2. Selbst wenn wir entsprechend viele Rollen haben, so ist die Probenorganisation mit 20 Darstellern plus Band ein logistischer Albtraum, den wir uns nicht antun wollten. ↩︎
  3. Wahrscheinlicher eine WhatsApp-Nachricht ↩︎

Mal was Neues

Die Arten und Weisen, Geschichten zu schreiben sind ja mannigfaltig — da gibt’s die extrem organisierten Autoren, die zuerst ausgefeilte Handlungsabläufe und Personencharakterisierungen entwerfen, dann einen ersten Draft schreiben, der eigentlich nur dazu dient, zu überprüfen, ob die Stränge sich zu einem Ganzen zusammenfügen, und erst danach mit dem eigentlichen Schreiben beginnen. Und es gibt die Improvisateure, die zu Beginn wenig mehr als eine vage Vorstellung haben, wovon sie eigentlich erzählen wollen, und die sich dann von ihrer Handlung und ihren Figuren treiben lassen und schauen, wo die Reise hingeht.

Zur letzteren Kategorie zählt wohl Stephen King (was man an den mE etwas an den Haaren herebeigezogenen Enden erkennt, hüstel), ich bin da eher im Mittelfeld und schreibe schon gerne ein Exposé, bevor ich mich an den eigentlichen Text mache, erlaube mir aber auch noch die eine oder andere Überraschung für mich beim Schreiben.

Nun bin ich derzeit mit meinen drei Episoden für die „Endstation“ beschäftigt, unserer Musikrevue für kommendes Jahr, wo wir eine Handvoll Geschichten um Leben und Tod erzählen und mit entsprechenden Songs untermalen wollen. Diese Szenen erfordern, wie ich spätestens bei „Frau Luna hat Besuch“ gelernt habe, ein anderes Herangehen als ein Roman oder auch ein Theaterstück: Wo ich dort mehr oder weniger beliebig viel Zeit habe, mal abzuschweifen oder das Tempo zu wechseln, um dem Werk einen Rhythmus zu geben, liegt in der Revue „in der Kürze die Würze“, und es ist viel wichtiger, sich um das Thema zu kümmern, die Informationen und die Pointe richtig zu setzen. Hier verzeiht die Bühne weniger als die Kurzgeschichte: Dort kann der Leser auch einmal innehalten und darüber nachdenken, was er gelesen hat (oder eine Stelle sogar noch einmal lesen), hier aber wird das Tempo durch das Spiel der Darsteller vorgegeben.

Umso wichtiger ist es also, jedes „Herumeiern“ zu vermeiden und das komplette Skript auf das Finale auszulegen. Und da habe ich mich nun dabei ertappt, dass ich bei der „Endstation“ begonnen habe — das war nicht einmal Absicht, sondern ist mir aus Gefühl unterlaufen — den Text von hinten zu schreiben. Mit anderen Worten, die ersten Sätze werden die letzten sein, und was zuerst auf dem Papier erschien, war das Finale, und jetzt arbeite ich mich absatzweise rückwärts zum Intro der Szene. Das funktioniert, weil ich den Faden ja schon einigermaßen ausgearbeitet im Kopf habe.

Ich bin selber sehr neugierig, wie das funktionieren wird. Im Moment glaube ich, die Szenen profitieren davon, weil jetzt jeder Absatz1 genau einen Zweck im Skript hat, nämlich, auf den nächsten zu führen. Die Texte werden dadurch erstaunlich kurz und auf den Punkt. Für jemand, der notorisch weitschweifig ist und zum Faseln neigt wie ich, kann das natürlich Gold wert sein.

Mal schauen, was dabei herauskommt.


  1. Streng genommen gibt es bei Prosa natürlich keine „Absätze“ im engeren Sinn. Was ich meine sind die Sätze, die sich jeweils um ein „Thema“ drehen. ↩︎