Comeback der Gesellschaftskomödie?

Kürzlich war ich ja gezwungen, neue Wege zu gehen — Ich habe versucht, mit „Ohne Halt“ eine „ernstzunehmende Komödie“ zu schreiben, mit einer vorgebenen Cast (weil wir schon ziemlich genau wussten, wen wir in dieser Produktion auf die Bühne schicken wollen) und der Vorgabe, Schauspiel und Regie auch anspruchsvolle Aufgaben zu liefern, wie sie in den Iahel Nimoy-Stücken aufgrund der Konzeption nicht vorkamen, und wie sie mit der großen Cast und den kurzen Szenen unserer Musik-Revuen wie der Endstation oder den Live-Hörspielen nicht zu realisieren waren. Nun ist ein überarbeiteter Draft abgeliefert (ich zögere noch bei der Formulierung „finale Version), und wir schauen, was daraus wird.

Heut habe ich mir den Vormittag genommen und mal wieder durch Oscar Wildes OEuvre gestöbert, wobei mir Lady Windermeres Fächer in die Hand gefallen ist. Die federleichten Geselschaftskomödien Wildes waren es unter anderem, die mich seinerzeit inspiriert haben, für die Bühne zu schreiben, aber ich habe auch bald gefunden, dass derlei Stücke sich heutzutage kaum mehr produzieren lassen. Die Zeiten gesellschaftlicher Konventionen sind vorbei, es gibt keine Stände mehr, keine rigirosen Moralvorstellungen — kein „richtig“ oder „falsch“.1 Was sollte in einem solchen Stück von 2025 also noch das Thema sein, was ist noch von Relevanz?2

Und doch habe ich das Gefühl, es ändert sich etwas. Unsere Gesellschaft verändert sich. Ein demenzkranker Narzissist hat das Weiße Haus übernommen und stellt in Frage, was wir über die letzten Jahrzehnte politisch für die Norm gehalten haben, während gleichzeitig ein skurpelloser Autokrat im Kreml immer unverhohlenere Machtfantasien auslebt. Im Land wird der Rassismus wieder salonfähig, „Gutmensch“ ist eine Herabwertung, und auf der anderen Seite stellen auch die Woken (zu denen ich mich zähle) fest, dass wir bei den Themen Immigration und Integration vielleicht etwas zu blauäugig vorgegangen sind. Oder, um es kurz zusammenzufassen: Bei dem behaglichen sozialen Sofa, auf dem wir seit Ende des Zweiten Weltkriegs gelegen sind,3 bohren sich langsam die Federn durch.

Das, was wir als sicher geglaubt haben, müssen wir in Frage stellen. Die neuen gesellschaftlichen Verwerfungslinien verlaufen nicht mehr zwischen Familien alter Prägung und unverheirateten Müttern und Geschiedenen andererseits, noch nicht einmal mehr zwischen Arbeiterklasse und Industrieeliten, Religiösen und Atheisten. Die neuen Herausforderungen bestehen im Umgang mit AfDlern am Arbeitsplatz oder gar im Freundeskreis, mit -isten jeglicher Couleur, mit dem schwächer werdenden Griff, in dem wir die Wahrheit haben, mit Klimaleugnern und anderen Intelligenzverweigerern, mit Intoleranz und Ignoranz, die mancherorts zur Tugend erhoben worden sind.

Und das Schwierige (und Aufregende) daran, ist nicht nur den eigenen Reihen Applaus zu spenden und sie zu bestärken — das hat Brecht getan, und das ist mir zu billig. Wichtig ist, die zu erreichen, die vom anderen Lager sind, denn nur dann hat Kunst etwas bewirkt. Wenn mir auch Dürrenmatts Stücke zu „papieren“ sind, ziehe ich doch seinen Ansatz vor, den Leuten auf den ersten Blick eine Komödie zu bieten, und sie dann durch die Hintertür mit großen Fragen zu konfrontieren. Gute Autoren sollten immer mehr Fragen stellen als Antworten geben.

„Mögest du in spannenden Zeiten leben, und möge dein Füller niemals trockenfallen!“

  1. Natürlich, man kann es sich immer noch einfach machen und „die Guten“ gegen „die Bösen“ antreten lassen, fortschrittliche zukunftsgewandte Charaktere gegen die rückwärtsgewandten Alten, die Toleranten gegen die Bigotten, aber das ist mir ein wenig zu einfach. Wenn der Zuschauer sofort weiß, für wen er sein soll, und gegen wen, dann ist das Stück nichts wert: Gut ist das Stück, wenn die Zuschauer darüber debattierend nach hause gehen und überlegen, welche Partei sie ergreifen sollen. ↩︎
  2. Es ist augenfällig, dass Oscar Wildes derzeit populärstes Stück, „Bunbury“ ausgerechnet das „harmloseste“ von Wilde ist, das sich am wenigsten mit gesellschaftlichen Konventionen auseinandersetzt und streng darauf bedacht ist, niemandem auf die Zehen zu treten. ↩︎
  3. Selbst der Mauerfall war zwar eine Zäsur, aber sicher nicht mit Faschismus und Weltkrieg zu vergleichen. ↩︎

„Have we been busy little bees…“

Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, es diesen Sommer etwas ruhiger angehen zu lassen — eigentlich. Der Plan war, dass ich nach den Stimmen aus dem Dunkel noch eine neue Iahel Nimoy-Criminal=Comoedie abliefern würde: Der Fall des einsamen Edelweiß sollte die Trilogie um meine „Sonder=Kommissarin des Prinzregenten“ abschließen, die mir auf der einen Seite sehr liebgeworden war, aber andererseits auch sehr geklammert hat. Mit der etablierten Liste an liebgewordenen Personen, die wieder auftauchen sollten, war natürlich nur begrenzt Platz für neue Figuren und Charaktere, und die Tiefe, mit der man solche neuen Charaktere anlegen konnte, war begrenzt durch den Kriminalfall, der eine Menge Raum in dem Stück einnehmen würde — wie es nunmal in der Natur eines Krimis liegt.

Mit diesem Stück war ich bis Mitte März soweit, einen ersten, halb-überarbeiteten Draft abgeliefert zu haben, nach meiner eigenen Expertise ein Dramolett das zwar nicht so recht wusste, wo es hin wollte, aber irgendwie schon „gehen würde“. Damit gingen wir dann in ein erstes Casting, und das hatte einen ganz merkwürdigen Ausgang: Ein wenig bedaddelt saßen wir am Ende alle da — Cast und Crew — und hatten das Gefühl, dass es eben doch nicht ging. Vielleicht war es von meiner Seite als Autor doch „zuviel Nimoy“ inzwischen, vielleicht hatten unsere Kandidaten inzwischen auch soviel Nimoy intus, dass sie die Texte mehr sprachen als spielten; auf jeden Fall waren wir uns einig, dass das Edelweiß für den Moment abgestorben war.

Was tun? Wir hatten im Wesentlichen drei Optionen:

  • Wir spielen ein zu lizensierendes Stück, zum Beispiel Lady Windermeres Fächer vom ollen Zausel Oscar Wilde,
  • Wir spielen gar nichts und geben unserer Cast über den Sommer frei, oder
  • Elmar saugt sich in Rekordzeit ein neues Stück aus der Tastatur, und zwar eines, das man diesmal auch spielen kann.

In meiner üblichen Selbstüberschätzung votierte ich für die dritte Möglichkeit. Ich bat mir 48 Stunden Bedenkzeit aus für eine neue Idee. Dabei hatten wir uns auch darauf geeinigt, dass die Cast klein und überschaubar bleiben sollte, auch um unserer Regie Stefanie Gelegenheit zu geben, sich mehr auf die Charakterarbeit zu konzentrieren. Nachdem das Exposé — tatsächlich kaum mehr als eine Outline — das Gefallen des Restvorstands fand, ging es daran, das Stück selber zu schreiben, und dabei nicht allzusehr zu trödeln: Schließlich soll die Permiere ja schon Mitte September stattfinden, und bis dahin gibt es wie immer eine Menge zu tun.

Ein wenig wurde ich darin gehemmt, weil ja auch die Stimmen aus dem Dunkel abzuspielen waren, mit immerhin sieben Vorstellungen an sieben verschiedenen Orten in vier Städten, unter anderem neuen Locations wie dem Kunstkeller oder der Kultufarbik Bamberg, wo wir uns gut einführen wollten, um auch mal wieder auftauchen zu dürfen. Das hat soweit ganz gut geklappt, und wir konnten sogar Kontakte zu weiteren Locations knüpfen, wo wir vielleicht auch mal vorstellig werden…

So oder so, ein überarbeiteter Draft des neuen Stücks „Ohne Halt“ ist gestern fertig geworden, und in der kommenden Woche werden Stefanie und Sina dem einen hoffentlich wohlwollend-kritischen Blick widmen und dann entscheiden, ob wir damit ins Rennen gehen oder… Was auch immer dann geschehen wird.

Gleichzeitig wird’s in der kommenden Woche zwei weitere Treffen geben, einmal werde ich mich mit Verena und Pia, meinen Co-Autoren bei LightsDownLow treffen, wo wir besprechen wollen, was wir denn nächstes Jahr, also 2026 als Großproduktion auf die Bühne bringen wollen. (Unser üblicher Rhythmus ist ja eine Hörspielproduktion im Frühjahr und ein Bühnenstück — abwechselnd Komödie und Musikrevue — im Sommer.) Ich habe gelernt, dass ein großzügiger Vorlauf für solche Produktionen gar nicht verkehrt ist, und bei der Sitzung wollen wir uns mal Gedanken machen, in welche Richtung es denn überhaupt nächstes Jahr gehen könnte. Ich habe dafür schonmal angemerkt, dass ich gar nicht böse wäre, mal nicht den Hut aufzuhaben. Im Moment schreibe ich gerade eh die Tinte aus dem Füller sozusagen, und dann mal wieder ein wenig kürzer zu treten dürfte meiner Kreativität Zeit zum Aufladen geben, und es ist glaube ich auch nur fair, den anderen mal eine Gelegenheit zu geben, nicht nur Szenen zu schreiben, sondern die künstlerische Konzeption zu übernehmen. Und ich könnte mal wieder auf der Bühne stehen.

Später in der Woche treffen wir uns mit einer Abteilung der Funklust, dem Campus-Radio der Uni Erlangen. Die haben Pia und mich nicht nur im Vorfeld der Stimmen interviewt, sondern auch unsere Aufführung in der Kofferfabrik live in die Welt übertragen. Im Rahmen dessen kam die Idee auf, dass LDL Hörspiele für die Funklust entwickeln und produzieren könnte — Nun wollen wir uns mal zusammensetzen und überlegen, ob und wie man dieses Konzept aufs Gleis bringen könnte. Wenn’s dumm läuft, wollen dafür auch wieder Skripte geschrieben werden.

Was die Skripte betrifft, da stehe ich auch noch im Wort bei Susa Riesinger, die bei der Endstation die Choreographie übernahm und selber eine Theatergruppe, die Hearts Company leitet. Während der Proben haben wir uns nämlich zusammengesetzt und besprochen, dass wir mal zusammen, ganz entre nous, ein kleines Projekt auf die Bühne bringen könnten. Daneben lauert noch ein Projekt im Hintergrund, das Libretto für ein Musical zu schreiben, und im Herbst habe ich versprochen, Geräusche und Schnitt für ein neues Doctor Who-Fanfic-Hörspiel zu übernehmen.

Ach ja, und nachdem mein Knie nun wieder einigermaßen mitspielt, wollte ich auch endlich das Projekt „Alpenüberquerung“ in Angriff nehmen — dauert ja nur vier Wochen…1 Was ist diese „Langeweile“, von der ich Menschen immer wieder reden höre…?

P.S. — Ja, es gab schon mal einen Post dieses Namens

  1. Ja, ich weiß, das geht auch viel schneller — ich habe mich für die längere und abgelegenere Route entschieden, weil ich mal wirklich weg von allem wollte. ↩︎