Eine der angenehmen (manchmal auch frustrierenden) Aufgaben des Geschichtenschreibers ist ja, sich vor dem Schreiben erst einmal die Geschichte auszudenken. Und dabei ist ein Diktum der Vogt’schen Geschichtenausdenklehre, zu unterscheiden zwischen einer Idee und einer Geschichte: „Das ist eine Idee, aber noch keine Geschichte“, pflege ich gelegentlich im Geschichtenausdenkgespräch zu sagen.
Was ich damit meine? Gestern habe ich einen freien Abend genutzt und „Iron Sky“ geschaut, eine recht groteske Story um Nazis, die auf dem Mond das Ende des Zweiten Weltkriegs überdauert haben und darauf warten, die Erde wieder zu arisieren: Finnen1, die sich über Nazis lustig machen, und Götz Otto spielt mit, was kann da schon schiefgehen?
In der Tat war die Idee im ersten Akt des Films, also dem Aufbau des Hintergrunds für die Zuschauer (Wo befinden wir uns, was ist die Ausgangslage?) skurril, respektlos und originell umgesetzt. Ein riesiger hakenkreuzförmiger Komplex als Nazi-Basis? Raumschiffe in der Form von Zeppelinen? Atemgeräte, die deutlich an die Tornister und Deckenrollen der Wehrmacht erinnern? Ja, das macht Laune. Dazu der Gedanke dass ausgerechnet ein Schwarzer als einer der ersten Astronaut der Erde den Nazis in die Hände fällt. Das war ganz offensichtlich die Idee des Films.
Aber ab hier ging der Produktion stufenweise mehr und mehr die Luft aus. Götz Otto musste dann einen Trip auf die Erde antreten und die Invasion vorbereiten, aber eigentlich sollte die Invasion schon lange laufen, die Erde war zwar nicht darauf vorbereitet, verfügte aber über genügend leistungsfähige eigene Raumschiffe, dass man sich fragt, wie ihr die Existenz einer riesigen Nazi-Industrieanlage auf der Rückseite des Mondes entgehen konnte, oder warum der Beginn des Filmes die bemannte Rückkehr von der Erde zum Mond als PR-trächtiges Spekatkel darstellt,2 und irgendwas mit „Helium 3“. Ich habe am Schluss den schnellen Vorlauf bemüht.
Was ist passiert? Offensichtlich ist der Produktion ihre Idee, ihr absurd-komischer Ausgangspunkt lieb und teuer geworden, aber sie wusste nicht so recht, wo sie mit ihren Figuren hin wollte, was die Geschichte sein sollte. Viel hin und her, das aber eigentlich nur eine Willkür der Handlung kaschierte. Wer jetzt was wollte, was der Konflikt war und nicht zuletzt wie sich die Story auflösen sollte, war geradezu beliebig.3 Und es war schade, dass so eine schöne Idee am Mangel einer Geschichte verhungerte.
Von daher mein Credo: Auch wenn die Idee wunderschön ist und man sich in sie verliebt hat — es gilt, sie darauf abzuklopfen, ob sie auch wirklich eine Geschichte liefern kann. Das sind die zweiten und dritten Akte des Ganzen, und ohne die ist auch der „Iron Sky“ nur die Hälfte wert.
- Ja, es ist eine finnische Produktion ↩︎
- Klar man kann argumentieren, dass man insbesondere bei einer Komödie nie so recht auf die Plot Holes achten darf. Aber andererseits darf man die Intelligenz des Zuschauers, der ja trotzdem noch irgendwie mitdenken will, zu sehr beleidigen und sollte wenigstens in sich konsistent sein. ↩︎
- Erschwerend kam hinzu, dass die Gags auch zunehmend spärlicher und flacher wurden. ↩︎