Ab und zu bekomme ich ja auch die Skripte anderer Menschen zu sehen, und da fallen mir einige Dinge auf. Vielleicht bin ich ein wenig voreingenommen, da ich beruflich aus der IT-Ecke komme, aber ich bin immer wieder verwundert, wie wenig Wert Autoren darauf legen, sich mit ihrer Textverarbeitung auseinanderzusetzen.
Ich meine, ich kann es verstehen: Da ist man Künstler und hat fantastische Ideen die zu Papier gebracht werden wollen, da gehen einem rattenscharf geschliffene Dialoge durch den Kopf, die die Welt zu lesen hat — warum sollte man sich da mit den Details seines Blechdeppen1 aufhalten, warum sollte man versuchen, mehr als das Nötigste über sein Word, sein OpenOffice, oder wie auch immer die Textarbeitung heißt, lernen?
Falsch. Grundfalsch. Für einen Autoren ist die Textverarbeitung sein Handwerkszeug. Ihr sitzt stundenlang vor einem Bildschirm und versucht, die flüchtigen Gedanken aus eurem Gehirn der digitalen Ewigkeit zu überantworten, sie in Bits und Bytes und vielleicht sogar ganz altmodisch auf Papier zu bannen. Euer Computer und die Software, die darauf läuft, sind das Handwerkszeug, mit dem ihr das wahr macht. Und jeder Handwerker sollte Wert auf gutes Handwerkszeug legen.
So, wie ein Koch seine Messer fast kultisch behandelt und ein Musiker sein persönliches Instrument in- und auswendig kennt, so solltet auch ihr euch mit eurer Textverarbeitung auskennen. Das ist kein eitles Flirten mit der Technologie, sondern eine gute Textverarbeitung, deren Vorzüge man zu nutzen weiß, erleichtert einem die Arbeit auf vielerlei Art, und vor allem hält sie einem den Rücken bzw. den Kopf frei für das Wichtigste: Das Schreiben per se. Moderne Systeme verfügen dabei über viele wichtige und komfortable Features, die leider nur den Wenigsten bekannt sind.2
Persönlich nutze ich LaTeX, ein kostenloses, für alle relevanten Plattformen verfügbares sogenanntes „Satzsystem“, das ein bisschen anders als die bekannten „What You See Is What You Get“-Systeme a la Word funktioniert. Wenn man sich einmal mit der dahinterliegenden Philosophie angefreundet hat — überlass dem Computer, wie der Satz aussehen soll und konzentrier dich auf den Inhalt — ist es extrem angenehm, damit zu arbeiten, und viele an sich banale Dinge, die mit anderen Textverarbeitungen schwierig sind, funktionieren plötzlich ganz einfach.3
Da ist zum Beispiel der modulare Aufbau von Dokumenten. Das bedeutet, dass ich, wenn ich beispielsweise ein Exposé für ein Hörspiel verfasse, die Besetzung in einer separaten Datei beschreibe, die ich mit einem Befehl in das Exposé einfüge. Wenn es später daran geht, das komplette Skript zu schreiben, kann ich dieselbe Datei mit der Besetzung wiederverwenden. Und wenn sich an der Besetzung etwas ändert, muss ich das nur einmal zentral ändern, und die Ändernugen werden automatisch in dem Exposé und im fertigen Skript nachgezogen.
Bei Hörspielen und Schauspielen ist es enorm praktisch, wenn die Sprechersätze automatisch durchnummeriert sind, wie in diesem Beispiel:

Bei den Proben können Regie und Darsteller sich dann bequem über den Text unterhalten: „Nochmal ab 7.11“ — „7.12 haben wir letztes Mal gestrichen“, und so weiter. Das schöne daran ist, dass LaTeX sich, wenn einmal die Formatvorlage festgelegt ist, selber um die Formatierung kümmert, und die Satznummerierung immer hübsch hinter dem Sprechernamen einfügt. Daran muss ich keinen Gedanken mehr verschwenden ,wenn ich diese Funktion einmal für all meine Dokumente definiert habe.
LaTeX kommt — wie auch andere Textverarbeitungen — mit einem Mechanismus für ein automatisches Stichwortverzeichnis daher. Ich habe diese Index-Funktion für ein weiteres sehr praktisches Feature missbraucht, indem ich Bühnenrequisiten (für Schauspiele) bzw. Geräuscheffekte (für Hörspiele) auf diese Art und Weise verwalte. Im Skript mag beispielsweise stehen:

Auch hier sorgt LaTeX von alleine dafür, dass die Geräusche fett und kursiv gesetzt sind. Im Anhang des Skripts findet sich dann der Index mit allen Geräuschen:

und hier finden wir unter „4.b“ das Telefongeräusch im Skript wieder, zusammen mit der Seite, auf der es verwendet wird. Wenn wir dann für das Hörspiel Sounds zusammensuchen, können wir sofort sehen, was wir alles brauchen, wo das Geräusch eingesetzt wird, und vor allem ob es mehrere Male vorkommt. Und weil Automatisierung die Aufgabe der Computer statt der Menschen sein soll, werden hier die automatischen Features von selber verwaltet — von der Durchnummerierung der Geräuscheffekte zusammen mit den zugehörigen Szenennummern bis zum Verweis auf die Seite, in der das Geräusch läuft.
Andere Funktionen sind der Einsatz von Formatvorlagen, so dass bei den Sprechertexten die Figur und der von ihr gesprochene Satz immer auf derselben Seite zu liegen kommen, und dazwischen keine hässliche und das Verständnis erschwerende Seitengrenze gesetzt wird (und dass innerhalb des Satzes schon gar kein Seitenumbruch stattfindet!)
Jetzt kann man sagen, das sind alles nur Kinkerlitzchen, schlichte Mätzchen, von denen das Skript kein bisschen besser wird. Das ist sicher richtig. Aber ich sage: Setzt euch mit dem Computer und der Software auseinander und lernt, das Beste aus ihr herauszuholen, auch wenn es nur „Kinkerlitzchen“ sind. Denn wer derlei Kinkerlitzchen lernt und sie sich zunutze macht, dessen Skripte werden einfacher lesbar, konsistenter, sind übersichtlicher und gefälliger gesetzt und machen im Allgemeinen das Schreiben, Lesen und Redigieren einfacher, und so können wir unsere grauen Zellen auf das konzentrieren, wofür sie eigentlich gemacht sind:
Geniale Gedanken hervorzubringen.
- Dafür werde ich bezahlen, wenn die Roboter erst übernommen haben, aber ich hoffe, mein kleiner Laptop, auf dessen Batterie ich immer peinlichst geachtet habe, wird für mich sprechen. ↩︎
- Und gerade ein nicht näher zu nennendes Produkt von Microsoft legt leider viel zu viel Wert darauf, die Leute mit „whistles and bells“ zu blenden, damit sie schöne Einladungen zum Kindergeburtstag tippen können, während schlichte aber nützliche Funktionen wie zum Beispiel das Anlegen eines Index‘ irgendwo in den hintersten Menüs verborgen liegen. ↩︎
- Das größte Handicap von LaTeX ist sein Name. Bei nicht-sachgemäßer Nutzung diverser Suchmaschinen kommt man immer wieder bei irgendwelchen Gummiprodukten heraus. ↩︎