Morgen, Kinder, wird’s was geben!

Unser neues Musikprojekt „Endstation“ macht Fortschritte. Wie bereits bei „Frau Luna“ wollen wir auch diesen Sommer wieder eine Show mit einem Mix aus gespielten Szenen („Sketchen“, die allerdings nicht immer lustig sein werden) und mehr oder weniger bekannten Rock- und Pop-Songs auf die Bühne bringen. (Siehe auch den Kalender rechts!)

Dieses Mal habe ich darum gebeten, mich von der Produktion weitgehend zu entbinden. Zum einen aus dem eigensüchtigen Grund, mich so mehr auf das Schreiben konzentrieren zu können, zum anderen aber auch, weil ich mich für keinen besonderen Produzenten halte, und weil Sina und Stefanie mit Michaela eine weitere tolle Unterstützung bekommen haben, neben der ich furchtbar blass aussehen würde.

Dafür wurde unser Autorenteam, bisher aus Verena und mir bestehend, um Pia ergänzt, die bereits bei der „XIII. Stunde“ ihr LightsDownLow-Debut geliefert hat. So haben wir uns einen neuen Ablauf überlegt, bei dem ich zuerst einen neuen Titel bekomme — in diesem Fall „Dramaturg.

Dann setzen wir uns zusammen und überlegen ein Konzept, in diesem Fall „Geschichten und Songs um Leben und Tod“. Daran schließt das Hirnen des Autorenteams an, wo wir bereits etliche Storyideen inklusive mehr oder minder passender Musiknummern dazu entworfen haben. Die große Kunst besteht dabei nicht darin, eine Idee zu haben, sondern die Spreu vom Weitzen zu trennen und „kill your darling“ als Massenmord zu betreiben, bis am Schluss eine Reihe von Geschichten übrig bleibt, die einem roten Faden treu bleiben, aber auch „Rhythmus“ in der Show generieren — lustige, dramatische und tragische Geschichten sollten einander abwechseln, die Anfänge und Enden der Akte brauchen immer eine besonderen „Bumms“, und so weiter.

Im Bestfall würden wir jedes Thema auch nur einmal behandeln, aber alle wichtigen Themen unterbringen. Interessanterweise sind zu meiner eigenen Überraschung drei Aspekte auf der Strecke geblieben, nämlich Abtreibung, Selbstmord und die Todesstrafe. Man könnte jetzt natürlich meinen, dass wir uns zur präventiven Selbstzensur entschlossen hätten, weil wir schließlich in einem katholischen Pfarrsaal spielen, aber dem ist nicht so. Stattdessen hatten wir schlicht keine Ideen für gute und unterhaltsame Geschichten, die diesen brisanten Themen gerecht geworden wären, und für andere Storys gab es viel bessere Vorschläge. Leichter ist es nicht dadurch geworden, dass wir uns entschlossen haben, diesmal statt des runden Dutzend Geschichten der „Frau Luna“ nur noch acht zu realisieren,1 um den Aufwand für die Produktion (und auch die Zuschauer) besser handhabbar zu machen.

Schließlich war dann die erste Runde abgeschlossen, und nach dem Segen der Produktion sind wir drei daran gegangen, die ersten Entwürfe für die Skripte abzuliefern, woran sich nochmal eine zweite Runde anschloss, in der die Skripte noch einmal verfeinert wurden, während eine Geschichte auch komplett ersetzt werden musste, weil sie in der Realität einfach nicht so gut wurde, wie gedacht.

Das ist der Punkt, an dem wir jetzt sind, und morgen wird es endlich ein Casting geben, bei dem wir viele alte und neue Talente eingeladen haben. Ein bisschen sind wir bei diesem Vorhaben davon überrascht worden, wieviele Leute sich tatsächlich angemeldet haben: Nach derzeitigem Stand haben wir 20 Kandidaten, und das ist mehr als wir vernünftigerweise unterbringen können.2 Auf der einen Seite freut und ehrt es uns natürlich riesig, dass so viele Leute Lust haben, uns kennenzulernen oder sogar so verrückt sind, wiederzukommen obwohl sie schon mit uns gearbeitet haben. Andererseits werden wir aber auch einigen Leuten absagen müssen.

Und das ist tatsächlich der schwierige Teil des Jobs — Gott spielen mit kleinen Künstlerseelen… Als Dramaturg gehöre ich noch zu der Jury die entscheidet, wer für die einzelnen Sprech- und Gesangsrollen geeignet ist und wer nicht, und es macht uns nie Spaß, irgendjemanden wieder heimzuschicken — Wir würden ja so gern mit allen spielen…! Auch wenn es nur ein Hobby ist, sind wir uns der Verantwortung bewusst. Von daher machen wir es uns nicht leicht, und wir versuchen auch, die Ablehnung abzudämpfen, wenn sie denn unvermeidlich ist.

Fair ist das Ganze nie, denn es ist ja niemand absolut der Beste oder der Schlechteste, sondern alle Kandidaten sind jeweils gut oder schlecht für eine bestimmte Rolle geeignet. Wenn wir beispielsweise zwei Bewerber A und B haben, die beide für dieselbe Rolle toll geeignet sind, aber für die zweite Rolle nur einen mittelmäßigen Bewerber C, dann hat C den Job, aber entweder A oder B werden wir wieder nach hause schicken müssen, so leid es uns tut. Ich hoffe, dass unsere Aspiranten diese Tatsache im Kopf haben werden.

Ein Trostpflaster mag sein, dass die „Endstation“ mit etwas Glück (toi toi toi!) nicht die letzte ist, die wir realisieren werden. Nicht für jede Produktion werden wir ein großes Casting auffahren, und natürlich arbeiten wir lieber und besser mir Leuten, die wir bereits kennen. Darum werden wir uns morgen viele Notizen machen und die Performance der Menschen im Hinterkopf behalten. Auch wer heute abgelehnt wird kann schon für die nächste Produktion einen Anruf von uns bekommen3, wenn wir uns daran erinnern, dass seine Leistung zwar damals nicht gepasst hat, er oder sie aber jetzt genau die Richtige sein könnte. Und wie ich aus gut unterrichteten Kreisen gehört habe, streben wir für November 24 schon wieder eine Produktion an…

Mit dem Casting ist dann aber diesmal mein letzter nennenswerter Job erledigt, und ich kann mich anderen Dingen zuwenden. Bei den Proben werde ich nur noch sporadisch gebraucht werden, ehe dann in der heißen Phase der Produktion der Bedarf an allem, was zwei Hände und Beine hat ansteigen wird — von der Anfertigung der Ausstattung bis zum Ticketverkauf am Einlass.

Nun sind der Worte aber genug gewechselt. Ich freue mich riesig auf morgen, denn nun wird aus der grauen Theorie von Papier, Monitoren und Besprechungen endlich der erste Schimmer von Realität. Ich bin gespannt, was unsere Kandidaten, die alten wie die neuen, uns zeigen werden, und ich bin komplett überzeugt, dass wir mit dem Wissen nach hause gehen werden, ein weiteres Mal eine tolle Cast für unsere Produktion gefunden zu haben.


P.S. — Wer sich der Casting-Thematik — wie finden wir die besten Kandidaten, wenn wir nicht jeden auf allen Positionen prüfen könne? — auf einer abstrakt-mathematischen Ebene nähern möchte, dem sei das Studium des Sekretärinnenproblems ans Herz gelegt.


  1. Es sind dann doch neun geworden… ↩︎
  2. Selbst wenn wir entsprechend viele Rollen haben, so ist die Probenorganisation mit 20 Darstellern plus Band ein logistischer Albtraum, den wir uns nicht antun wollten. ↩︎
  3. Wahrscheinlicher eine WhatsApp-Nachricht ↩︎

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